Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen
Zum Geschichtsverständnis deutscher und britischer Offizieranwärter
Deutschland, wie es heute ist, ist ein Resultat aus unserer jüngsten Vergangenheit und den Erfahrungen aus den Weltkriegen: Wir haben aus der Vergangenheit gelernt.
deutscher Offizieranwärter, Dresden 2014
I studied history as a means of understanding and identifying with the past as well as linking it to situations, problems and conflicts today.
britischer Offizieranwärter, Sandhurst 2014
Einführung
Kann man aus der Geschichte Lehren ziehen? Geht es beim Geschichtsverständnis tatsächlich darum, etwas zu verstehen, und wenn ja, was? Was ist „Geschichtsverständnis“ überhaupt und ist ein Verstehen der Geschichte nicht immer auf ein subjektives Empfinden zurückzuführen? In der eurozentrischen Geschichtswissenschaft fallen die Antworten auf diese Fragen recht unterschiedlich aus – es herrscht Uneinigkeit.[1] Diese Uneinigkeit lässt sich für die angehenden deutschen und britischen Offiziere nicht attestieren: Fast alle der 2014 befragten Offizieranwärter[2] (OA) an der Offizierschule des Heeres (OSH) und der Royal Military Academy Sandhurst (RMAS) gaben an, dass ihrer Meinung nach Lehren aus der Geschichte gezogen werden könnten.
Ein Verstehen, insbesondere der Nationalgeschichte, bedeutete für die jungen Offizieranwärter, die sich zum Zeitpunkt der Befragung im ersten Ausbildungsjahr befanden, sich selbst in einen Kontext mit der Geschichte ihres Landes stellen zu können. Darüber hinaus war es ihnen wichtig, von dem bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen historischen Wissen in irgendeiner Form zu profitieren: entweder, um gegenwärtige Konflikte und internationale, politische Konstellationen in einen größeren Zusammenhang einordnen zu können oder vergangene Ereignisse als mahnende oder beispielhafte Lehren in der Gegenwart nachklingen zu lassen. Um aus dem eigenen Geschichtswissen Nutzen ziehen zu können, verstand der Großteil der angehenden Offiziere Geschichte nicht nur als Teil der Identifikationsgrundlage für das eigene Handeln, sondern darüber hinaus auch als magistra vitae,[3] eine Lehrmeisterin des Lebens im Sinne der lessons learned.
Entgegen aller Opposition, wird der lessons learned Ansatz stetig beliebter, ob nun im Projektmanagement, aus dem der Ansatz ursprünglich stammt, oder im staatlichen Schulunterricht als Impuls für die historisch-politische Bildung der Schüler.[4] Dabei geht es beim lessons learned Ansatz im Projektmanagement meist weniger um ein Schablonendenken im Sinne eines applikatorischen Baukastens, wie häufig angenommen wird, sondern vielmehr um das Sammeln und die Weitergabe von Erfahrungswerten. Im Zentrum des Ansatzes steht dabei grundsätzlich der Wunsch nach einer Verbesserung des aktuellen Vorgehens, unabhängig davon, ob der Ausgangspunkt bereits gut oder tatsächlich schlecht war.[5] Ähnlich wie im Wissensmanagement, wo der lessons learned Ansatz als eine Projekt-Retrospektive genutzt wird, bedienten sich viele der jungen Soldaten des Arguments, dass das Erlernen von Vergangenem einem systematischen Sammeln von Erfahrungen und Entwicklungen und damit zusammenhängenden Fehlern und Risiken gleich käme.
Wenn es um Geschichte und das Militär geht, wird im Zusammenhang vom Bewerten und Verdichten von Erfahrungen, gerade in Großbritannien, gerne Carl von Clausewitz Hauptwerk „Vom Kriege“ zitiert: dort schrieb Clausewitz, dass das Wissen um die Geschichte uns lehrende Erfahrungswerte für die Gegenwart vermitteln kann. Jedoch verwies der preußische Generalmajor ebenso darauf, dass große Gefahr von der subjektiven Interpretation der Historiker ausginge, da verschiedene Deutungsweisen und ein stetig an die Gegenwart angepasstes Geschichtsbild zu falschen Auslegungen führen könnte.[6] Geschichte kann so schnell zu einem Politikum werden, gerade wenn die Vergangenheit zur Gegenwartserklärung und Zukunftsbestimmung zweckmäßig verkürzt oder angepasst wird.[7] Eine ähnliche Problematik kann sich demnach auch schnell durch den lessons learned Zugang ergeben, da dieser häufig dazu dient nur Kausalfragen zu beantworten und komplexe, historische Zusammenhänge dabei stark vereinfacht darstellt.[8]
Dieser Beitrag wird daher im Folgenden näher darauf eingehen, wie die Offizieranwärter in Deutschland und Großbritannien im Jahre 2014 argumentativ Vergangenheit und Gegenwart in Bezug zueinander stellten. Darüber hinaus soll entschlüsselt werden, warum sowohl britische als auch deutsche Offizieranwärter die Vergangenheit und das Wissen um diese nicht nur als Verstehensgrundlage für die Gegenwart empfanden, sondern Geschichte darüber hinaus auch als eine Art didaktisch aufbereitetes Lehrbuch und eine Beispielsammlung[9] begangener Fehler verstanden.
Bei der anhaltenden Diskussion um die Bedeutung und das Nutzen von (Militär-) Geschichte im 21. Jahrhundert ist es wichtig zu differenzieren zwischen den Fragen: „Warum ist Geschichte wichtig?“ und „Warum ist Geschichtswissenschaft wichtig?“ In der akademischen Forschung wird häufig letztere Frage beantwortet. Eine Frage, die sich den meisten Offizieranwärtern in dieser Form erst im Laufe ihrer Ausbildung, nicht jedoch zum Zeitpunkt des Eintritts in die Streitkräfte, stellt. Der vorliegende Beitrag fokussiert daher nicht den Zweck der historischen Bildung im deutschen Heer und bei der British Army, sondern ausschließlich das Verständnis der Offizieranwärter in Bezug auf einen Nutzwert von Geschichte.
Im Folgenden wird daher zunächst kurz auf das Geschichtsinteresse der deutschen und britischen Offizieranwärter eingegangen, um zu entschlüsseln, woher das Geschichtswissen der Offizieranwärter stammt und wie die Offizieranwärter ihr Wissen zum Zeitpunkt des Eintritts in die Armee selbst beurteilten. Im Anschluss wird der lessons learned Zugang der Offizieranwärter erläutert und in einen Kontext mit der Geschichtswahrnehmung der angehenden Offiziere gestellt. Die Schlussbetrachtung versucht abschließend zu veranschaulichen, warum der applikatorische Baukasten im Sinne der lessons learned, auch wenn dieser zumindest von Seiten der Bundeswehr nicht offiziell als Zugang zum Geschichtsverständnis der deutschen Offizieranwärter erwünscht ist, durchaus als konstruktiver Einstieg zum Ausbau des Geschichtsbewusstseins[10] deutscher und britischer Offizieranwärter dienen kann.
Geschichtsinteresse. Balanceakt zwischen Wissen und Interpretation
Geschichte ist ein zentraler Bestandteil in der Gedankenwelt der deutschen und britischen Offizieranwärter. Mehr als die Hälfte der deutschen (70%) und britischen (79%) Offizieranwärter bestätigten, dass sie sich für Geschichte begeistern können. Fast alle befragten Offizieranwärter gaben an, dass sie Geschichtswissen für wichtig oder sogar sehr wichtig erachteten (92% der deutschen OAs und 92% der britischen OAs). Eine fast genauso große Anzahl von Offizieranwärtern aus beiden Ländern betonte ebenfalls, dass Geschichtswissen wichtig, unverzichtbar oder sogar unerlässlich für angehende Offiziere (89% der deutschen OAs und 91% der britischen OAs) im 21. Jahrhundert sei.
Der überwiegende Teil der Offizieranwärter, die sich selbst als geschichtsinteressiert bezeichneten, gaben ebenfalls an, sich regelmäßig mit dem aktuellen Weltgeschehen auseinander zu setzen. Fast alle interviewten Offizieranwärter waren sich darüber einig, dass die Fähigkeit Geschichte zu verstehen und analysieren zu können eine zentrale Voraussetzung dafür sei, ein besseres Verständnis für die aktuelle politische Landschaft zu haben. Zudem gingen die angehenden Offiziere beider Nationen davon aus, dass Geschichte nicht nur Einfluss gehabt habe auf die Entstehung von Nationalbildern, sondern auch auf unterschiedliche Handlungsmuster und Wahrnehmungsweisen verschiedener Nationen. Sowohl deutsche als auch britische Offizieranwärter erklärten, dass ihnen ihr Geschichtswissen in erster Linie als Grundlage für ihr allgemeines Weltverständnis diene, insbesondere in Hinsicht auf das Verständnis komplexer, politischer Zusammenhänge sowie das Erfassen von Hintergründen zu aktuellen Konfliktherden.
I developed a strong interest in current affairs and politics and felt that history fed into that quite nicely, because history shaped both and I like to have an understanding of the world around me.
britischer Offizieranwärter, Sandhurst 2014
Die meisten Offizieranwärter beider Nationen berichteten, dass sie sich bereits im Kindesalter für Geschichte begeistern konnten.[11] Bei der Mehrzahl der deutschen und britischen Offizieranwärter ging diese Begeisterung mit einem Interesse für das Militär einher. Insbesondere britische Offizieranwärter, die in ehemaligen Kolonien Großbritanniens aufgewachsen sind, betonten, dass sie durch das Aufwachsen in einem Land fernab der Heimat schon früh in Kontakt mit der Geschichte ihres Landes gekommen seien. So gab ein in Hong Kong aufgewachsener britischer Offizieranwärter beispielsweise an
living in a country which is on the other side of the world, but still ruled by the British government with very close ties to the British monarchy is slightly odd (…) at the same time it kicks of your brain pretty early on in life (…) and did set me up with the History of Hong Kong and the British Empire.
britischer Offizieranwärter, Sandhurst 2014
Viele der geschichtsinteressierten deutschen und britischen Offizieranwärter berichteten, dass ihnen die Geschichte vergangener Jahrhunderte vorkam wie ein Buch voller Geschichten, das man stetig weiterlesen müsse, um ein abgerundetes Gesamtbild von der Vergangenheit zu bekommen. Interessanterweise betonten die Offizieranwärter allerdings auch, dass dies nur auf die Geschichte zuträfe, zu der sie keinen persönlichen Bezug mehr herstellen könnten: Die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts habe nach Aussage der Offizieranwärter demnach – im Gegensatz zur Geschichte der vorhergegangenen Jahrhunderte - keinen Erzählcharakter, sondern sei eher eine Frage der Auslegung und Interpretation jedes einzelnen Menschen. Dabei ging eine Großzahl der interviewten Offizieranwärter davon aus, dass jeder Mensch eine subjektive Auffassung von Geschichte habe, die sich zusammensetzte aus einer Ansammlung von Erlerntem, individuell Erlebtem und vermittelten Geschichtswissen.
Bei der Einschätzung ihres Geschichtswissens bewerteten die deutschen Offizieranwärter ihre Kenntnisse insgesamt ein wenig besser als die britischen Offizieranwärter. Dieses Ergebnis lässt sich unterschiedlich interpretieren. Naheliegend ist jedoch, dass dieser Umstand auftritt, weil die deutschen und britischen Offizieranwärter zu unterschiedlichen Lebensstadien in die Armee eingetreten sind: Während der überwiegende Teil der deutschen Offizieranwärter sich unmittelbar nach Abschluss des Abiturs oder Beenden des Freiwilligen Wehrdienstes bei der Bundeswehr verpflichtet hat, besaß die Mehrheit der britischen Offizieranwärter zum Zeitpunkt der Aufnahme des Wehrdienstes bereits einen Bachelorabschluss sowie Auslandserfahrungen in Form eines so genannten gap year nach Schulabschluss und vor Studienbeginn.[12] Beide Faktoren, das Studium sowie der Auslandsaufenthalt, trugen maßgeblich dazu bei, dass die britischen Offizieranwärter in der Regel nicht nur einen größeren Fundus an Lebenserfahrungen vorweisen konnten, sondern im Gegensatz zum Führungsnachwuchs des deutschen Heeres durch das absolvierte Studium auch wussten, was sie alles nicht wissen. Viele der britischen Offizieranwärter erklärten, dass sie sich darüber bewusst waren, dass ihr eigenes Wissen in Anbetracht der Fülle der potenziell zugänglichen Informationen äußerst gering war und gaben daher an, dass ihr Geschichtswissen „mittelmäßig“, wenn nicht sogar „lückenhaft“ oder „mangelhaft“ ausfiel. Eine weitere Erklärung für die unterschiedliche Selbsteinschätzung von Geschichtswissen lässt sich zurückführen auf den staatlichen Schulunterricht: während die meisten deutschen Schüler bis zur zehnten Klasse Geschichtsunterricht hatten, konnten die britischen Schüler Geschichte bereits in der siebten Klasse abwählen und durch ein alternatives Fach wie Geographie ersetzen.
Die angehenden deutschen und britischen Offiziere gaben an, dass der größte Teil ihres Geschichtswissens zum Zeitpunkt der Aufnahme des Wehrdienstes aus dem Geschichtsunterricht während ihrer Schulzeit stammte. Viele der britischen Offizieranwärter erläuterten, dass ein Großteil ihres erweiterten Geschichtswissens entweder auf das Lesen von Büchern oder eigenständige Recherchen im Internet zurückzuführen war, während ein Großteil der deutschen Offizieranwärter angab das Geschichtswissen mit Hilfe der zur Verfügung stehenden Medien in Deutschland erweitert zu haben. Die meisten der zukünftigen Offiziere des deutschen Heeres verwiesen daher auf Fernsehdokumentationen und Berichte in Tageszeitungen sowie artverwandten Printmedien. Mit Hinblick auf die unten aufgeführte Tabelle fällt auch hier auf, dass die britischen Offizieranwärter ihr Geschichtswissen bereits durch ein Studium an einer Universität erweitert hatten. Die stetige Wiederholung von Themen spielte bei der Erinnerung an historische Thematiken eine prägnante Rolle für deutsche und britische Offizieranwärter. Entscheidend war ebenfalls, ob sich die angehenden Offiziere für die jeweilige Thematik begeistern konnten. Als am interessantesten bewerteten die deutschen und britischen Offizieranwärter meist historische Ereignisse, die aus Sicht der Offizieranwärter noch immer Auswirkungen auf die heutige Zeit haben oder einen direkten Bezug zu ihrem eigenen Leben oder zukünftige, berufliche Aufgabenfelder herstellen.
Bei der Einstufung wichtiger Themengebiete im Geschichtsunterricht hatte das Wissen um die eigene Geschichte die größte Relevanz, gefolgt von der Historie der eventuellen späteren Einsatzgebiete. Um ein Verständnis von staatlichen Entwicklungen bis in die Jetztzeit entwickeln zu können, empfanden die Offizieranwärter es als wichtig, einen Überblick über die gesamte Nationalgeschichte zu erhalten und nicht nur selektierte Auszüge, die in der Gegenwart als wichtig erachtet werden. So kritisierten die deutschen Offizieranwärter, dass die deutsche Geschichte im Schulunterricht zumeist auf die Lehren des Nationalsozialismus reduziert worden war, während die Briten angaben, dass die Geschichte des Empires im Geschichtsunterricht fast vollständig ausgelassen wurde und erst an der Universität in den geisteswissenschaftlichen Fächern besprochen worden ist.[13]
Geschichtswissen halte ich schon für wichtig. Man muss wissen, was im Ersten und Zweiten Weltkrieg passiert ist. Aber man sollte nicht daran hängenbleiben und sagen: wir sind schuld und böse… (…) Deswegen finde ich es wichtig, dass man die Geschichte Deutschlands kennt. Nicht nur die der beiden Weltkriege. Damit man sagen kann, wo man da selber steht und welche Meinungen man vertritt. Auch politisch. Was man vertreten kann und was nicht. Viele Leute wissen das einfach nicht und stehen dann politisch auf einer Seite, die nicht vertretbar ist – weil sie einfach keine Ahnung von der Geschichte haben. Deswegen finde ich Geschichtswissen schon sehr wichtig, gerade bei der Bundeswehr.
deutscher Offizieranwärter, Dresden 2014
It’s important that officers know the history of their country, because otherwise you’ll get blind patriotism or an unthinking response.
britischer Offizieranwärter, Sandhurst 2014
Die wenigen britischen Offizieranwärter, die angegeben haben, dass sie sich nur geringfügig oder gar nicht für Geschichte begeistern konnten, erklärten diesen Umstand meist damit, dass sie den Nutzwert von Geschichte in der Gegenwart nicht erkannten oder Geschichte als ein nur schwer zugängliches Fach empfanden. Eine derartige Sicht bestätigte auch eine Umfrage des Think-Tanks Politeia aus dem Jahr 2012. Demnach wurde der Geschichtsunterricht in Großbritannien von den Schülern zunehmend als langweilig empfunden, da bestimmte Geschichtsabschnitte nicht nur stetig wiederholt wurden, sondern den Schülern darüber hinaus auch als inkohärent erschienen.[14]
Die deutschen Offizieranwärter verwiesen auf eine ähnliche Problematik, indem sie die disproportionale Aufteilung verschiedener Thematiken auf die zur Verfügung stehende Unterrichtszeit im Geschichtsunterricht bemängelten, was dazu führen würde, das bestimmte Thematiken nach Auffassung der Offizieranwärter stark vernachlässigt oder gar nicht durchgenommen wurden. Darüber hinaus beschwerte sich die große Mehrheit der angehenden deutschen und britischen Offiziere über eine nach ihrem Empfinden wenig analytische und emotional aufgeladene Geschichtsvermittlung während ihrer Schulzeit: Die deutschen Offizieranwärter sprachen insbesondere in Bezug auf die Thematik Zweiter Weltkrieg von einer Vorgabe bestimmter Narrative[15] im Geschichtsunterricht von Seiten der Lehrer, während die britischen Offizieranwärter dieselbe Beobachtung in Bezug auf den Unterricht zur Thematik britisches Empire machten.
Der Umgang der Offizieranwärter mit der Vergangenheit deutet an, dass sich die angehenden Offiziere so analytisch wie möglich mit Geschichte auseinandersetzen möchten. Jörn Rüsen nannte dies eine neue Perspektivierung der deutschen Zeitgeschichte.[16] Dabei ist es wichtig, zur Kenntnis zu nehmen, dass der überwiegende Teil der Jetzt-Generation von Offizieranwärtern sich im Gegensatz zu ihrer Vorgängergeneration losgelöst fühlt von der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Auch wenn Linda Erker noch 2013 behauptete, dass die Geschichte des Holocausts und des Nationalsozialismus an der Schwelle zur Historisierung stehe,[17] kann mit Hinblick auf die Ergebnisse aus den durchgeführten Interviews mit den deutschen Offizieranwärtern im Jahre 2014 schon heute festgestellt werden, dass der Prozess der Historisierung bei den angehenden Offizieren bereits begonnen hat.[18]
Noch mehr als die vorgegebenen Narrative, kritisierten die deutschen und britischen Offizieranwärter allerdings, dass sie nach ihrem Empfinden während ihrer Schulzeit im Geschichtsunterricht kaum zum eigenständigen Denken, Analysieren und Interpretieren motiviert worden sind. Folglich nahmen sie den Geschichtsunterricht als ein „faktisches Auswendiglernen-Fach“ wahr. [19] Die Mehrzahl der zukünftigen Offiziere des deutschen Heeres und der British Army forderten daher einen ausgeglicheneren, unemotionaleren und analytischeren Umgang mit der Geschichte ihres Landes. Diese Forderung geht zum einen auf die erwähnte negative Erfahrungssammlung der Offizieranwärter während ihrer Schulzeit zurück und zum anderen auf die Wahrnehmung vieler Offizieranwärter, dass Geschichte im Sinne der lessons learned auch eine Nutzfunktion erfüllen kann.
Historia Magistra Vitae und Lessons Learned: Geschichte als Spielball der Gegenwart
Bei der Erklärung, warum Geschichtswissen in der Gegenwart von Bedeutung sei, verwiesen sowohl britische als auch deutsche Offizieranwärter auf die Lehren, die aus der Geschichte gezogen werden könnten. Der lessons learned Ansatz nimmt in diesem Zusammenhang Bezug darauf, dass die Vermittlung von Geschichtswissen nicht nur der Bildung dient, sondern gewonnene Erfahrungswerte aus der Vergangenheit auch lehrend in der Gegenwart eingesetzt werden können. In diesem Sinne sollen im Rahmen der lessons learned brauchbare Hinweise aus der Geschichte gesammelt und in der Gegenwart verwendet werden.
Ähnlich wie die NATO,[20] sind die US-Streitkräfte[21] und das Joint Chiefs of Staff, das Gremium der Befehlshaber des US-Militärs,[22] zu dem Ergebnis gekommen, dass der lessons learned Ansatz einen produktiven Beitrag zur militärischen Effizienz in Gegenwart und Zukunft darstellen kann, wenn drei grundlegende Kriterien verfolgt werden:
Ø Erstens, die Versicherung dessen, dass Teilbereiche des Militärs Erkenntniswerte des Erlebten nicht nur bewusst wahrnehmen, sondern auch Bericht über gewisse Erkenntnisse, die so genannten lessons learned, erstatten.
Ø Zweitens, dass alle Teilbereiche des Militärs die lessons learned und die sich aus diesen ergebenen Anwendungsmuster zur Vermeidung ähnlicher Fehler entweder aufnehmen, publizieren oder in irgendeiner anderen Weise zugänglich machen und mit anderen teilen.
Ø Und drittens, dass Probleme, die sich aus dieser Vorgehensweise ergeben, immer umgehend behoben werden, damit eine angemessene und funktionale Nutzung der gewonnenen Lehren in der Gegenwart gesichert werden kann.[23]
Zusammenfassend geht es daher darum, begangene Fehler zu erkennen und zu analysieren, wie diese in der Zukunft vermieden werden können. In einem Folgeschritt soll das Verfahren zur Fehlerbeseitigung verschriftlich werden, um mit anderen geteilt werden zu können. Genau genommen geht es daher beim lessons learnd Ansatz, anders als bei Ciceros historia magistra vitae est, nicht um eine Sammlung historischer, sondern gegenwärtiger Lehren, die für die folgende Generation festgehalten werden sollen. Wenn im Zusammenhang von der Anwendbarkeit von Geschichtswissen von lessons learned gesprochen wird, ist also meist Ciceros historia magistra vitae est gemeint. Da aber auch aktuelle Lehren in Militäreinsätzen der Jetztzeit festgehalten werden sollen, verschwimmen die Trennlinien zwischen den beiden Begrifflichkeiten gegenwärtig.
Zu Beginn der Offizierausbildung beschäftigte die angehenden deutschen und britischen Offiziere zunächst einmal, warum der Geschichtsunterricht einen Teil in ihrer soldatischen Ausbildung einnimmt und welche Nutzen sie aus diesem Fach für sich selbst ziehen können. Gerade bei den Offizieranwärtern, die sich nicht besonders für Geschichte erwärmen konnten, wird die Funktionalität von Geschichte zu Beginn der Ausbildung stark in den Vordergrund gestellt und häufig auf ein Bestehen der anfallenden Geschichtsklausur an der OSH oder ein Bestehen durch ein gutes Essay an der RMAS reduziert. Die große Mehrheit der interviewten Offizieranwärter, die einen Mehrwert im Unterrichtsfach Geschichte erkannten, erklärte dies damit, dass sie einen Nutzenfaktor im Studium der Geschichte erkennen konnten: angesprochen wurde zum einen die bereits erwähnte Kontextualisierung des aktuellen Weltgeschehen anhand von Geschichtswissens und zum anderen die Nutzung von Geschichte im Sinne der lessons learned.
An der Royal Military Academy Sandhurst, an der britische Offizieranwärter des Heeres ein Jahr lang geschult werden, bevor sie ihre Ausbildung in ihrer jeweiligen Truppengattung fortsetzen, wird ein ähnlicher Ansatz verfolgt wie beim Joint Chiefs of Staff in den USA: Ziel der Unterrichtsstunden in War Studies an der RMAS ist es nicht nur den Offizieranwärtern analytische Fähigkeiten sowie historisches Grundlagenwissen zu vermitteln, sondern auch, ihnen einen Einblick in die lessons learned der British Army zu ermöglichen.[24] So demonstrieren die Dozenten beispielsweise anhand von Schlachten, welche strategischen Fehler in der Vergangenheit begangen worden sind. Zu diesem Zwecke lassen sie die Offizieranwärter zuerst eigene Vorgehensweisen an Hand historischer Beispiele auf taktischer Ebene erstellen und gleichen diese dann in einer Art Defizitanalyse mit den tatsächlich erfolgten Fehlern ab, um aufzuzeigen, wie alternativ hätte gehandelt werden können. Ziel ist es, über das Verstehen historischer Zusammenhänge hinaus, eine vergleichbare Fehlerkette durch eine detaillierte Analyse der Vergangenheit in Zukunft potenziell vermeiden zu können. Nach Aussage der Dozenten geht es darüber hinaus allerdings auch darum, dass die Offizieranwärter anhand dieses Vorgehens lernen sollen, Entscheidungsfindungsprozesse zu optimieren. Dabei wird davon ausgegangen, dass, obwohl die aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen nur schwer mit historischen Konflikten vergleichbar sind, die Vergangenheit als eine Art Schablone für sich ähnelnde Zusammenhänge in der Gegenwart genutzt werden kann. Der lessons learned Ansatz ist dabei integrativer Bestandteil für das Verständnis und die Anwendung militärischer Lehren, was bereits das Leitbild des War Studies Departments an der RMAS zum Ausdruck bringt:
To fire a commitment to the study of war and military history as a basis for the understanding and application of British Military Doctrine.[25]
Das Army Field Manual, das Handbuch zur Aufstandsbekämpfung der britischen Armee, greift denselben Ansatz auf wie die RMAS, indem Erfahrungswerte aus der Vergangenheit in Kontext mit dem aktuellen taktischen Vorgehen der britischen Streitkräfte gestellt werden. Dabei werden Lehren aus der Vergangenheit analysiert, um Defizitquellen aufzeigen zu können, die sich potenziell auch in der Gegenwart wiederholen könnten.[26]
An der Offizierschule des Heeres in Dresden sollen die Offizieranwärter durch die Vermittlung von Geschichtswissen und der damit im Idealfall einhergehenden Erzeugung oder Verstärkung eines Geschichtsbewusstseins im Laufe der Offizierausbildung erzogen und gebildet werden. Anders als in Sandhurst, geht es an der Offizierschule nicht darum, zu skizzieren, wie die Vergangenheit als Lerninstrument oder Schablone für die Konflikte der Gegenwart genutzt werden kann. Ziel ist es nach Aussage des Lehrpersonals an der OSH vielmehr, die Interpretationsfähigkeiten der Offizieranwärter zu schulen. Darüber hinaus soll ihnen ein analytisches Geschichtsverständnis vermittelt werden, da politisch-historische Bildung auch stets mit einem zeitgemäßen Traditionsverständnis auf Grundlage der Werte und Normen des Grundgesetzes einhergeht, die korrekt verstanden werden müssen.[27] Bei der Vermittlung von Geschichtswissen an der Offizierschule geht es daher darum, die Offizieranwärter zu befähigen, gegenwärtige und zukünftige politische, gesellschaftliche und militärische Fragen in einen historischen Kontext einordnen zu können. Geschult werden soll demnach in erster Linie das Urteilsvermögen und die Handlungssicherheit der zukünftigen Offiziere, die Schärfung ihres Verstandes und die Entwicklung einer eigenen Urteilskraft[28] und nicht ihre Fähigkeit, Lehren aus der Vergangenheit ziehen zu können.
Der lessons learned Zugang und die damit einhergehende lehrhafte Auswertung komplexer historischer Vorgänge im Rahmen der applikatorischen Methode wird in Deutschland vor allem deswegen als problematisch empfunden, da sie als direkte Vorbereitung auf das Handeln des Offiziers im Krieg empfunden werden kann.[29] Um sich einem ganzheitlichen Geschichtsbild zuwenden zu können, kehrten bereits die Preußischen Reformer dem applikatorischen Baukastendenken den Rücken zu: Der Ansatz war in Verruf geraten, da durch den vereinfachten Zugang zur Geschichte als magistra vitae kritisches Reflektieren und wissenschaftliches Denken stark in den Hintergrund gerückt waren. Im Dritten Reich bestätigte sich das Unbehagen der Preußischen Reformer gegenüber der applikatorischen Methode, als der historia magistra est Ansatz zur Instrumentalisierung der Soldaten der Wehrmacht zu Glorifizierungszwecken der militärischen Vergangenheit Deutschlands im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie umfunktioniert wurde.[30] Demzufolge ist bekannt, dass der heute häufig als lessons learned bezeichnete Zugang auch einen erzieherischen Impetus entfalten kann, in dessen Rahmen die Motivation des Offiziers zum eigenständigen Denken nachlässt, was zur Folge haben kann, dass der Soldat leichter zum Opfer von Legenden und Mythen werden kann.[31] Im schlimmsten Fall könnte das stupide Verfolgen der applikatorischen Methode demnach zum unpolitischen, schablonenabarbeitenden Soldat führen - dem Gegenteil des deutschen Ideals vom Staatsbürger in Uniform.
Obwohl die applikatorische Methode in Großbritannien im Gegensatz zu Deutschland fester Bestandteil der Offizierausbildung ist, scheint die Methodik, die sich hinter den lessons learned verbirgt in ranghöheren Kreisen nicht weniger umstritten zu sein als in Deutschland. So kritisierte Colonel Simon Browne von der Defence Academy in Shrivenham, an der ranghöhere britische Offiziere weitergebildet werden, den wenig differenzierten Umgang mit Geschichte in den britischen Streitkräften.[32] Browne erklärte, dass im Rahmen der Offizierausbildung aus der Geschichte entstandene Traditionen in der British Army häufig stark vereinfacht dargestellt werden würden, was zur Folge habe, dass Offizieranwärter eher dazu angehalten werden zu lernen „WAS sie denken sollen und nicht, WIE sie denken”.[33] Michael Howard, einer der bekanntesten Militärhistoriker Großbritanniens, verwies auf einen ähnlichen Punkt, indem er sich mit der Instrumentalisierung von Geschichte im Vereinten Königreich auseinandersetzte und bemängelte, wie häufig gerade Militärgeschichte für eine Mythisierung oder Glorifizierung missbraucht würde.[34]
Ungeachtet der unterschiedlichen Diskussionen zur (Dys)-Funktion des lessons learned Ansatzes in Deutschland und Großbritannien, antworteten die meisten deutschen und britischen Offizieranwärter auf die Frage, warum sie Geschichtswissen für wichtig erachteten, dass sie glaubten, dass begangene Fehler der Vergangenheit, als Resultat der Erkenntnisse aus der Vergangenheit, in der Gegenwart gemieden werden könnten. Die Diskussion, ob eine Einschätzung von Fehlern und Defiziten nicht eher subjekt- und perspektivenspezifisch sei, ergab, dass die überwiegende Zahl der deutschen und britischen Offizieranwärter sich gegen die Verletzung von Menschenrechten aussprach, wenn sie über „Fehler der Vergangenheit“ sprachen. Dabei bezog sich die überwiegende Mehrzahl der deutschen Offizieranwärter bei den Schilderungen über „Fehler der Vergangenheit“ fast ausschließlich auf Gräueltaten während des Zweiten Weltkriegs. Die britischen Offizieranwärter verwiesen hingegen überwiegend auf die Menschenrechtsverletzungen während der Zeit des britischen Empires, jedoch auch auf Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit, wie beispielsweise das Vorgehen der britischen Armee während des Nordirlandkonfliktes oder Großbritanniens Beteiligung am Irakkrieg.
Während die britischen Offizieranwärter den lessons learned Zugang für ethische und operative Lehren nutzen wollten, bezogen sich die deutschen Offizieranwärter ausschließlich auf ethische Fragen. Auch wenn die historische Bildung den deutschen Offizieranwärtern helfen soll sich selbst und ihre Aufträge in der deutschen Vergangenheit verorten zu können, um zu verstehen, „warum man als Deutscher immer eine besondere Verantwortung trägt,“[35] bezogen sich die deutschen Offizieranwärter nicht nur auf Deutschlands Vergangenheit im Zweiten Weltkrieg wenn sie von der „deutschen Verantwortung“ sprachen, sondern meist auch auf Deutschlands gegenwärtige Wirtschaftskraft und zentrale Rolle innerhalb der Europäischen Union.
Unabhängig von der individuellen Perspektive des jeweiligen Offizieranwärters gegenüber Verfehlungen oder Vergehen in der Vergangenheit, war sich der deutsche und britische Führungsnachwuchs des Heeres darüber einig, dass Fehlverhalten oder Fehlentscheidungen nur durch eine flächendeckende Unterrichtung der Vergangenheit vermieden werden könnten. Ähnlich wie zuvor beschrieben, bezogen sich die meisten der Offizieranwärter hierbei auf die drei funktionalen Schritte des lessons learned Ansatzes, insbesondere auf den Punkt, dass Lehren aus der Vergangenheit in der Gegenwart für jedermann einfach verständlich zugänglich gemacht werden müssten, um eine Wiederholung ähnlichen Fehlverhaltens vermeiden zu können.
Auch wenn die Mehrzahl der Offizieranwärter ihren Glauben an den lessons learned Ansatz in den Interviews bestätigten, kann die akademische Forschung die Umsetzung des Ansatzes bis dato nicht bekräftigen: Eric Sangar stellte 2014 sogar unter Beweis, dass weder die Bundeswehr noch die Britische Armee bei ihrem strategischen Vorgehen in Afghanistan in Rückbezug auf ihre historische Vergangenheit handelten, indem sie ihr Vorgehen den durch die Vergangenheit gewonnene Lehren anpassten. Auch wenn beide Armeen durchaus ein Bewusstsein über die begangenen Fehler der Vergangenheit hätten, habe dies nach Aussage Sangars nicht zu einer systematischen Umsetzung zur Vermeidung ähnlicher Defizitketten geführt. Sangar erklärte, dass das Problem des lessons learned Ansatzes dabei nicht sei, dass per se keine Lehren aus der Vergangenheit gezogen werden könnten, sondern, dass das militärische Personal beider Armeen weder ein Parameter noch eine Schablone zur Orientierung an der Vergangenheit vorliegen habe, die im Einsatz hätten genutzt werden können.[36] Anders als Sangar argumentierten Williamson Murray und Richard Hart Sinnreich, dass das nicht-Anwenden der Lehren aus der Vergangenheit nicht auf fehlende Anwendungsparameter zurückzuführen sei, sondern auf eine Ignoranz gegenüber der Vergangenheit: Nach Aussage der beiden Historiker sei die Invasion in den Irak ein klassisches Beispiel dafür gewesen, dass die Vergangenheit außer Acht gelassen worden war, weil militärische Entscheidungsträger angeblich zu selbstbewusst seien, was ihre Möglichkeiten beträfe, die Zukunft kontrollieren zu können.[37]
Ungeachtet dieser Ergebnisse, war sich der überwiegende Teil der deutschen und britischen Offizieranwärter dennoch darüber einig, dass aus der Vergangenheit Lehren für die Gegenwart gezogen werden könnten und zwar staatenübergreifend. Dementsprechend also nicht nur aufgrund der eigenen nationalen Erfahrungen, sondern auch der Erfahrungen anderer Staaten. Dass die Kriege der Gegenwart teilweise nur schwer oder gar nicht mit den Kriegen der Vergangenheit vergleichbar sind, empfanden dabei weder deutsche noch britische Offizieranwärter als Hindernis, um aus den Lehren der Vergangenheit eine Schablone für die Gegenwart fertigen zu können.
Gerade wir Europäer können wahnsinnig viel aus unsere Geschichte lernen. Nach Jahrhunderten des Krieges hat sich deutlich gezeigt, dass Zusammenarbeiten deutlich produktiver ist, als gegeneinander zu arbeiten. Solche Schlüsse kann man nur aus der Geschichte ziehen – und auch auf andere Geschehnisse oder Handlungen lässt sich dies anwenden. Man sollte zunächst immer schauen, ob es ein ähnliches Ereignis schon in der Vergangenheit gab – und dann daraus seine Schlüsse ziehen.
deutscher Offizieranwärter, Dresden 2014
I always loved history because I felt you could approach situations from multiple angles and you could find answers, to an extent, of questions you had about the past. Of course there is no such thing as a correct answer in history, but I loved the discussion and dichotomy around the events.
britischer Offizieranwärter, Sandhurst 2014
Deutsche und britische Offizieranwärter erklärten, dass die Vergangenheit ihnen eine Art Orientierungspunkt für ihre Handlungen in der Gegenwart liefere. Außerdem betonten viele der angehenden Offiziere beider Nationen, dass historisches Kernwissen über spätere Einsatzländer nicht nur der Einsatzvorbereitung diene, sondern auch dazu beitragen könnte, das Verhalten der Menschen in anderen Ländern besser nachvollziehen zu können. Geschichte wird für die Offizieranwärter in diesem Zusammenhang nicht nur zu einem Anhaltspunkt zur Vermittlung von Hintergrundwissen, sondern auch zum Ausgangspunkt zum Verständnis des gesamten sie umgebenden Systems.[38] Interkulturelle Kompetenz und Geschichtswissen gehörten daher nach Aussage der meisten Offizieranwärter zu den Basiseigenschaften, die ein Offizier im 21. Jahrhundert vorweisen können sollte.
Fast alle Offizieranwärter waren davon überzeugt, dass die Vergangenheit die Geschehnisse der Gegenwart nicht nur beeinflusst, sondern auch flächendeckend mitgestaltet, indem sie behaupteten, dass historische Erfahrungen auf die Handlungsmotivation aller Nationen in der Gegenwart einwirke. So gab die Mehrzahl der interviewten Offizieranwärter an, dass sie die Geschichte der Einsatzländer nicht nur kennen müssten, um selbst zu verstehen, warum die Bundeswehr im jeweiligen Land eingesetzt wird und welche Vorgeschichten sich hinter den aktuellen Einsätzen verbergen, sondern auch, um ihren Soldaten anschaulich erklären zu können, warum sie in den Einsatz gehen.
Ich vertrete die Meinung, dass man, gerade als Soldat, ein gutes geschichtliches Wissen haben muss, um manchmal auch zu wissen, warum man etwas so und nicht anders macht. Soldaten sind ja auch keine Lemminge, die einfach alles nachmachen, sondern den Hintergrund dazu haben wollen und dafür ist ein geschichtliches Wissen zwingend erforderlich.
deutscher Offizieranwärter, Dresden 2014
Your soldiers are going to ask you questions: if we’d go to northern Iraq, there is a lot of history involved and this way, I can explain why we are there and you can see yourself in a context of a wider picture. I think it’s not enough to go on a mission, because you are ordered to. I want to know all the reasons behind it and the history of the area and the history of why we are there in the first place. So for my men and my own understanding: why I’m being asked to do what I’m being asked to do.
britischer Offizieranwärter, Sandhurst 2014
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die meisten der deutschen und britischen Offizieranwärter darüber einig waren, dass Geschichte einen Bezugspunkt darstellt, der Orientierung bietet und die Gegenwart verständlicher macht. Interessanterweise betonten Offizieranwärter beider Nationen, dass die düsteren Kapitel in ihrer Nationalgeschichte keine Gefühle wie Scham oder Schuld unter jungen Leuten in der Gegenwart erzeugen sollten, sondern als Beispiele falscher Entscheidungen und falschen Verhaltens verstanden werden müssten. Nach Aussage der Offizieranwärter sei es entscheidend, sich stetig selbst vor Augen zu halten, was im schlimmsten Fall passieren kann und deshalb, aufgrund der Lehren aus der Vergangenheit, möglichst vermieden werden sollte.
Vergleicht man die Antworten der deutschen und britischen Offizieranwärter in Bezug auf ihre Geschichtswahrnehmung und Erklärungen, warum die Erweiterung ihres Geschichtswissens nicht nur einen zentralen Teil in ihrer Ausbildung, sondern auch in ihrer weiteren Karriere einnehmen sollte, fielen die Unterschiede in Argumentation und Auslegung recht gering aus. Die große Mehrheit der deutschen und britischen Offizieranwärter bestätigte, dass, egal wo in der Welt sie in Zukunft eingesetzt werden würden, ihr Geschichtswissen zentraler Ausgangspunkt dafür sei, verstehen zu können, was um sie herum passiere.
Auch wenn die Erkenntnisse aus dem Unterrichtsfach Militärgeschichte angehenden Offizieren der Bundeswehr als werteorientierte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit dienen und nicht primär als applikatorischer Baukasten im Sinne der lessons learned verstanden werden sollen, bestätigten die deutschen ebenso wie die britischen Offizieranwärter 2014, dass der Ursprung ihrer Faszination gegenüber der Geschichte eben genau aus diesem Baukastencharakter der Geschichte rührte. Geschichte galt den meisten deutschen und britischen Offizieranwärtern entweder
1.) als Verstehensgrundlage für die politische Landschaft der Gegenwart über die Grenzen Deutschlands und Großbritanniens hinaus
2.) als Erklärungs- und Aufklärungselement für die Einsätze der Bundeswehr bzw. der British Army, insbesondere in Hinsicht darauf, dass die Offizieranwärter ihren Soldaten die Einsätze anhand der vorhergegangenen Historie verständlich machen wollen und
3.) als Grundlage für eine Selbstverortung der Offizieranwärter (und ihrer Familien) innerhalb der Geschichte.
Der letzte Punkt ist besonders wichtig in Bezug auf das Geschichtsinteresse der Offizieranwärter: Es gilt, dass die Offizieranwärter alles interessiert, was einen direkten Bezug zu ihnen, und der Position in der sie sich gegenwärtig und zukünftig befinden werden, herstellt. Die meisten deutschen und britischen Offizieranwärter wollen einen aktiven Beitrag zur Geschichte leisten und somit selbst Teil der Geschichte ihres Landes werden. Geschichte wird so zu einem Bezugselement der soldatischen Selbstidentifikation. In diesem Sinne stellt Geschichte nichts Abstraktes, Negatives oder weit Entferntes mehr dar, sondern ein wertneutrales Bindeglied zwischen gestern und heute.[39]
Die Vergangenheit ist nicht unsere Schuld – aber die Zukunft liegt in unserer Verantwortung. Und ich werde Teil dieser Zukunft sein, also ein Teil der zukünftigen Geschichte.
deutscher Offizieranwärter, Dresden 2014
The war in Afghanistan is history now, so everyone who has been part of it has been part of something fairly significant. Whereas if you have a normal job in the UK and you do it for 30 years you might never do something ground-breaking and give it a hundred years’ time it will maybe be forgotten about and no one knows about it – it’d be something washed away in history; but something like conflict and war will always be studied and remembered.
britischer Offizieranwärter, Sandhurst 2014
Fazit
Kann man aus der Geschichte Lehren ziehen? war die zu Beginn dieses Beitrags gestellte Frage. Der qualitative Befund aus den Interviews mit den deutschen und britischen Offizieranwärter die 2014 ihren Dienst beim Deutschen Heer und der British Army aufgenommen haben, bejaht diese Frage nicht nur, sondern stellt sie ins Zentrum des Interesses am Unterrichtsfach Geschichte. Beim Geschichtsverständnis geht es den Offizieranwärtern beider Nationen in der Tat darum etwas „zu verstehen“ – und zwar nicht nur ihre Umwelt in der Jetztzeit, sondern die Gegebenheiten, die zum Erscheinungsbild der Gegenwart beigetragen haben, ob nun im eigenen Land oder den potenziellen Einsatzländern (in) der Zukunft. Geschichte ausschließlich als Verstehensgrundlage zu nutzen, reichte den meisten der interviewten Offizieranwärtern jedoch nicht aus: fast alle der angehenden Offiziere gaben an, Nutzen aus ihrem Geschichtswissen ziehen zu wollen im Sinne der historia magistra vitae, einem Ansatz, der in der Gegenwart häufig als lessons learned bezeichnet wird. Geschichte wird so aus Sicht der Offizieranwärter zu einem forschenden Fach, in dem versucht wird die Gegenwart und Zukunft durch die Lehren der Vergangenheit zu „erhellen“.
Der lessons learned Ansatz erscheint vage, weil unklar ist, ob Rückschlüsse aus der Vergangenheit tatsächlich in der Zukunft angewendet werden können, da weder bekannt ist, wie die Zukunft aussehen wird, noch unter welchen Grundvoraussetzungen zukünftig agiert werden muss. Rezeptartige Handlungsanweisungen in Form einer Schablone der Vergangenheit für die Gegenwart können daher leicht in Frage gestellt werden.[40] Nichtsdestotrotz hat ein Großteil der Offizieranwärter an der OSH und RMAS im Jahre 2014 den lessons learned Ansatz selbstständig als einen ersten Zugang zum Geschichtsverständnis gewählt.
Anders als in der Geschichtsforschung geht es der Mehrzahl der Offizieranwärtern zunächst primär nicht um theoretischen Fortschritt oder Faktenanalysen, sondern um den Erhalt von Handlungsfähigkeit in einer komplexen Umwelt. Vorübergehende Fehleinschätzungen von Umweltbegebenheiten sind nicht zwingend problematisch, wenn es einen anhaltenden Dialog über Erfahrungsmuster und deren Realisierbarkeit in der Gegenwart gibt. Die Nutzbarkeit von Geschichte bemisst sich daher an der Frage, ob und wie gut sie eine gewisse Handlungsfähigkeit für die Offizieranwärter ermöglicht. Das selektive Nutzen von Geschichte im Sinne des lessons learned Ansatzes ermöglicht eine Handlungsfähigkeit in Form einer ersten Planung auf Grundlage vorhergegangener Lehren. Problematisch wird dieses Vorgehen nur, wenn Informationen vergessen, ausgeblendet oder verzerrt werden. Deswegen muss der lessons learned Ansatz grundsätzlich mit einer Schulung des analytischen Sachverstandes der Offizieranwärter einhergehen, insbesondere in Bezug darauf, dass die Realität grundsätzlich komplexer ist als es in den lessons learned dargestellt wird.
Dieter Kollmer bemerkte sehr treffend, dass man die Urteilskraft des militärischen Führungsnachwuchses nur fördern kann, wenn man die jungen Männer und Frauen nicht in ein intellektuelles Konzept zwingt, sondern ihnen stattdessen „die Möglichkeit gibt, sich in einem gewissen Rahmen intellektuell frei zu entwickeln.“[41] Ein Untersagen des lessons learned Ansatzes erscheint demnach nicht zweckmäßig, da die Unterstellung, dass aus der Geschichte nicht gelernt werden kann, eine Verödung des Geschichtsinteresses der Offizieranwärter, die kein starkes Interesse an geisteswissenschaftlichen Fächern aufweisen, zur Folge haben könnte.
Auch wenn die schablonenhafte Gegenüberstellung von Gegenwart und Vergangenheit erforderliche Interpretations- und Denkverfahren stark verkürzt, dient das Geschichtswissen den angehenden Offizieren nicht ausschließlich als applikatorischer Baukasten, sondern eben auch als Orientierungshilfe für sie selbst und ihre Soldaten. Dass die Offizieranwärter den lessons learned Zugang selbstständig als einen ersten Zugang zum Umgang mit der Vergangenheit gewählt haben, wie der hier vorliegende Befund aufzeigt, ist daher eine gute Voraussetzung, um das bereits vorhandene Geschichtswissen und Geschichtsinteresse der Offizieranwärter im Laufe ihrer Ausbildung auszubauen. Durch die Erweiterung ihres Geschichtswissens kann nicht nur die Verstärkung ihres Geschichtsbewusstseins erfolgen, sondern auch der Ausbau ihrer Kritikfähigkeit und die Schulung ihrer analytischer Fähigkeiten zur Interpretation der zur Verfügung gestellten Informationen. Zentral erscheint hierbei zu sein, den Offizieranwärtern nicht nur den intellektuellen Verständnisrahmen von Geschichte und die Auswirkungen der Geschichte auf die Gegenwart zu vermitteln, sondern ihnen auch einen direkten Nutzenfaktor von Geschichte aufzuzeigen, damit in Deutschland und Großbritannien in den Rängen des militärischen Führungsnachwuchses auch weiterhin ein Interesse für die Lehre der Geschichte aufrecht erhalten werden kann.
[1] Vgl. hierzu Kosellecks Überlegungen zum Historia Magistra Vitae Ansatz: Koselleck, Reinhart (1989): Vergangene Zukunft, Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Frankfurt am Main: Suhrkampf Verlag, 38-86.
[2] 2014 sind im Rahmen des Dissertationsprojektes der Autorin 274 deutsche und 481 britische OAs die 2014 ihren Dienst im Deutschen Heer sowie der British Army aufgenommen haben befragt und weitere 103 deutsche und britische OAs interviewt worden. Die Doktorarbeit der Autorin befasst sich unter anderem mit dem Geschichtswissen und Geschichtsvorstellungen deutscher und britischer OAs und deren Bedeutung für den Berufsentscheid der jungen Soldaten. Die Dissertation unter dem Arbeitstitel The Relevance and Understanding of the national past to the motivation to enlist – British and German army officer cadets in comparison wird betreut am War Studies Department am King’s College London und am Defence Studies Department am UK Joint Services Command and Staff College in Shrivenham.
[3] Geschichte, Lehrmeisterin des Lebens, aus Marcus Tullius Cicero: De oratore, II.36, Harvard, 1988.
[4] Vgl. here bspw. die Plattform: http://lernen-aus-der-geschichte.de/ (1 Okt 2015) oder die Forschungsergebnisse des King’s College zum Schulunterricht an Ark Schulen: http://arkonline.org/sites/default/files/Ark_lessons_learned.pdf (22 Okt 2015).
[5] Vgl. bswp https://www.projectsmart.co.uk/lessons-learned.php; http://www.signetconsulting.com/GetLessonsLearnedToWork.php oder https://www.conservationgateway.org/ConservationPlanning/partnering/cpc/Documents/Capturing_Lessons_Learned_Final.pdf (23 Okt 2015).
[6] Clausewitz, Carl von (2005): Vom Kriege. Zweites Buch, Sechstes Kapitel. Stuttgart: Philipp Reclam Verlag, 170-177.
[7] Vgl. hierzu bspw. die Thesen des Politikwissenschaftlers Eric Sangar, der sich mit dem Gebrauch von Geschichtsreferenzen in den Reden von Politikern beschäftigt hat: Sangar, Eric (2014): La présence de l’histoire dans les relations stratégiques, influence inconsciente ou ressource rhétorique? In: Note de recherche stratégique n° 16. Paris: Institut de recherche stratégique de l'Ecole militaire (IRSEM), http://www.defense.gouv.fr/content/download/343711/4847884/file/NRS_n16_2015.pdf. (2 Okt 2015).
[8] Vgl. hierzu die Überlegungen von Williamson Murray und Richard Hart Sinnreich, die Überlegungen dazu anstellten, warum militärisches Führungspersonal in der Gegenwart häufig Probleme damit habe, die Lehren der Vergangenheit anzuwenden: Murray, Williamson; Sinnreich, Richard (2006): Introduction. In: ebds. (Hrsg.): The Past as Prologue, The Importance of History to the Military Profession. Cambridge: Cambridge University Press, 1-11.
[9] Plena exemplorum est historia, Marcus Tullius Cicero, zitiert in: Koselleck, Reinhart (1989): Vergangene Zukunft, Zur Semantik geschichtlicher Zeiten. Frankfurt am Main: Suhrkampf Verlag, 41.
[10] Geschichtsbewusstsein bezieht sich im Rahmen dieses Beitrags auf die Eigenschaft, dass sich die Offizieranwärter dessen bewusst sind, dass sie Teil geschichtlicher Prozesse sind. Geschichtsbewusstsein bedeutet demnach, dass die angehenden Offiziere nicht nur ein bewusstes Verständnis von Zeitlichkeit haben, indem sie Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsverständnis und Zukunftserwartung in ein stimmiges Ganzes bringen können, sondern auch, dass sie wissen, dass das Bewusstsein von Geschichtlichkeit an subjektive Erkenntnisse gebunden ist und demnach vorläufig ist und im Laufe der Geschichte von einem anderen Verständnis von Realität abgelöst werden kann. Vgl. hierzu u.a. Mack, Hans-Huberts (2013): Wer gemeinsam Soldaten einsetzt, braucht ein gemeinsames historisches Verständnis oder warum wir ein supranationales europäisches Geschichtsbewusstsein brauchen! In: Kollmer, Dieter H. (Hrsg.) (2013): Bedeutung und Nutzen von Militärgeschichte zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Potsdam: ZMSBw, 101; Mack, Hans-Hubertus (2011): Für ein gemeinsames Geschichtsbewusstsein in einer europäischen Armee. In: Kaldrack, Gerd F.; Pöttering, Hans-Gert (Hrsg.): Eine einsatzfähige Armee für Europa, Die Zukunft der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik nach Lissabon. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft, 471 f.
[11] 74% der deutschen OAs und 73% der britischen OAs gaben an, dass sie sich schon im Kindesalter für Geschichte begeistern konnten.
[12] 2014 besaßen 63 der 481 befragten britischen OAs einen Universitätsabschluss im Fach Geschichte. In Deutschland waren es nur 2 von 274 befragten OAs. Insgesamt besaßen 88% der befragten britischen OAs 2014 bereits einen Studienabschluss, während nur 10% der befragten deutschen OAs zu Beginn der Aufnahme des Wehrdienstes einen Studienabschluss vorweisen konnten. Die sich aus diesem Umstand ergebenen Unterschiede zwischen deutschen und britischen Offizieranwärter werden ausführlich in der Dissertation der Autorin besprochen.
[13] Eine ausführliche Diskussion über die Differenzen in Bezug auf die Geschichtsbilder deutscher und britischer Offizieranwärter resultierend aus den Auslassungen im Geschichtsunterricht in der Schule erfolgt in der Dissertation der Autorin.
[14] Paton, Graeme (2012): Pupils failing to study British history at school. In: The Telegraph, 27 April 2012, http://www.telegraph.co.uk/education/educationnews/9229379/Pupils-failing-to-study-British-history-at-school.html. (21 Jul 2015)
[15] Stefan Gerber bezeichnet den gesellschaftlich vorherrschenden Narrativ als „erinnerungskulturellen Hegemon“ und bezweifelt, dass es auf Dauer eine gleichberechtigte Pluralität von Erinnerungskulturen geben kann. Die Offizieranwärter verwiesen auf generational unterschiedliche Narrative. Die daraus entstehende Problematik ist, dass sich die Offizieranwärter oftmals nicht mit dem Narrativ der Lehrergeneration identifizieren konnten, was in einigen Fällen zu einer Distanz oder sogar Ablehnung gegenüber dem Fach Geschichte bei den Schülern führte. Eine ausführliche Diskussion über Geschichtsnarrative und das Empfinden von generationalen Unterschieden in der Geschichtswahrnehmung erfolgt in der Dissertation der Autorin. Vgl. hier auch: Gerber, Stefan (2013): Selbstblockaden. In: Böcker, Martin; Kempf, Larsen; Springer, Felix (Hrsg.): Soldatentum, Auf der Suche nach Identität und Berufung der Bundeswehr heute. München: Olzog Verlag, 41-61.
[16] Rüsen, Jörn (2001): Holocaust, Erinnerung, Identität. In: Welzer, Harald (Hrsg) Das soziale Gedächtnis, Geschichte, Erinnerung, Tradierung Hamburg: Hamburger Edition, 243-259.
[17] Erker, Linda; Kienesberger, Klaus; Vogl, Erich (2013): 'Vorwort. In: Erker, Linda; Kienesberger, Klaus; Vogl, Erich; Hausjell, Fritz (Hrsg.): Gedächtnis-Verlust? Geschichtsvermittlung und –didaktik in der Mediengesellschaft. Köln: Herbert von Halem Verlag, 9.
[18] Vgl. hierzu auch Harald Welzers Erkenntnisse zu unterschiedlichen Narrativen und Veränderungen der Erinnerungskultur in Deutschland: Welzer, Harald (2001) Das gemeinsame Verfertigen von Vergangenheit im Gespräch. In: Welzer, Harald (Hrsg.): Das soziale Gedächtnis, Geschichte, Erinnerung, Tradierung. Hamburg: Hamburger Edition, 160-178; Welzer, Harald (2003) Von der Täter- zur Opfergesellschaft, Zum Umbau der deutschen Erinnerungskultur. In: Erler, Hans (Hrsg.): Erinnern und Verstehen, der Völkermord an den Juden im politischen Gedächtnis der Deutschen. Frankfurt: Campus Verlag, 100-106; Welzer, Harald (2011) Family Memories of WW II and the Holocaust in Europe, or Is There a European Memory. In: Meusburger, Peter; Heffernan, Michael; Wunder, Edgar (Hrsg.): Cultural Memories, The Geographical Point of View. Heidelberg/London: Springer, 171-188.
[19] Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch Sam Wineburgs Erkenntnisse zum Behaviorismus und der Frage danach, welches historische Wissen Schüler überhaupt haben sollten und ob es überhaupt „richtige Antworten“ bei der Interpretation des Geschichtswissens geben kann: Wineburg, Sam (2001): Sinn machen, Wie Erinnerung zwischen den Generationen gebildet wird. In: Welzer, Harald (Hrsg) Das soziale Gedächtnis, Geschichte, Erinnerung, Tradierung Hamburg: Hamburger Edition, 179-189. Vgl. dazu ebenfalls Peter Seixas Abhandlungen über das Erkennen vorhandenen Geschichtswissens bei britischen Schülern und der Möglichkeiten und Voraussetzungen für einen Ausbau deren Geschichtsbewusstseins: Seixas, Peter (2005): Historical Consciousness, The Progress of Knowledge in a Postprogressive Age. In: Straub, Jürgen (Hrsg.): Narration, Identity, and Historical Consciousness. New York/Oxford: Berghahn Books, 141-162.
[20] Die NATO hat im Jahre 2002 eine eigenständige Einrichtung ins Leben gerufen, die das lessons learned Konzept verfolgt: das Joint Analysis and Lessons Learned Centre. Das Zentrum setzt sich zur Aufgabe, Projekte ins Leben zu rufen, die unterstützend dazu beitragen können, dass das militärische Verteidigungsbündnis zweckmäßig durch die gewonnenen Lehren aus der Vergangenheit auf zukünftige Militäreinsätze vorbereitet wird. Allerdings beschränkt sich der lessons learned Ansatz bei der NATO weitesgehend auf operatives, militärisches Vorgehen: http://www.jallc.nato.int/ (27 Aug 2015); call for papers für die NATO Lessons Learned Conference 2015: https://nllp.jallc.nato.int/SiteCollectionDocuments/Calling%20Letter%20LL%20Conference%2015.pdf (1 Okt 2015).
[21] Vgl. hierzu: Abenheim, Donald (2010): Geschichtserziehung, Traditionspflege, „lessons learned“. Historische Bildung in den US-Streitkräften unter dem Aspekt der neueren Kriege. In: Echternkamp, Jörg; Schmidt, Wolfgang; Vogel, Thomas (Hrsg.): Perspektiven der Militärgeschichte, Raum, Gewalt und Repräsentation in historischer Forschung und Bildung. München: R. Oldenbourg Verlag, 343-362.
[22] http://www.jcs.mil/ (1 Okt 2015).
[23] Vgl. hierzu: https://nllp.jallc.nato.int/IKS/Sharing%20Public/Lessons%20Learned%20on%20Lessons%20Learned%20%E2%80%93%20A%20Retrospective%20on%20the%20CJCS%20Joint%20Lessons%20Learned%20Program%20%28JLLP%29.pdf (1 Okt 2015).
[24] War Studies Commissioning Course Handbook (2013), Written by members of the Department of War Studies, The Royal Military Academy Sandhurst, Edited by Dr Gregory Fremont-Barnes.
[25] War Studies Department Mission Statement, Department of War Studies, The Royal Military Academy Sandhurst,Camberley.
[26] Army Field Manual Countering Insurgency Vol. 1: 10, counter-insurgency, January 2010.
[27] Vgl. hierzu: Lange, Sven (2014): Wozu Militärgeschichte, Das Nutzen von Militärgeschichte für die Angehörigen der Bundeswehr. In: Zeitschrift für Innere Führung 3, 15-20.
[28] Auszug aus dem Lehrplan des OL2 an der OSH; ZDv 12/1, Ziffer 207; Kollmer, Dieter H. (2013) “Vom Einsatz her denken!“, Einsatz und militärgeschichtliche Lehre in der Bundeswehr des 21. Jahrhunderts. In: Kollmer, Dieter H. (Hrsg.) (2013): Bedeutung und Nutzen von Militärgeschichte zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Potsdam: ZMSBw, 13.
[29] Christian T. Müller über Rainer Wohlfeils, Wehr-, Kriegs- oder Militärgeschichte? in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 1 (1967), S. 21-29. , http://portal-militaergeschichte.de/Wohlfeil_Milit%C3%A4rgeschichte1967 (22 Okt 2015).
[30] Dierking, Antje (2013) “Historische Bildung in den deutschen Streitkräften vor 1945. In: Kollmer, Dieter H. (Hrsg.) (2013): Bedeutung und Nutzen von Militärgeschichte zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Potsdam: ZMSBw, 25-26.
[31] Vgl. hierzu: Christian T. Müller über Rainer Wohlfeils, Wehr-, Kriegs- oder Militärgeschichte? in: Militärgeschichtliche Mitteilungen 1 (1967), S. 21-29. , http://portal-militaergeschichte.de/Wohlfeil_Milit%C3%A4rgeschichte1967 (22 Okt 2015); Abenheim, Donald: Interkulturelle Kompetenz, Soldaten und Historiker. In: Kollmer, Dieter H. (Hrsg.) (2013): Bedeutung und Nutzen von Militärgeschichte zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Potsdam: ZMSBw, 70; Loch, Thorsten, Mayer, Martin (2012): ”Generation Einsatz” und die Frage des Leitbilds: Probleme nationaler Militärtradition. In: Birk, Eberhard; Heinemann, Winfried; Lange, Sven (Hrsg.):, Tradition für die Bundeswehr, Neue Aspekte einer alten Debatte. Berlin: Carola Hartmann Miles Verlag, 51-66
[32] http://www.da.mod.uk/About-Us (22 Okt 2015).
[33] Im Original: WHAT to think and not HOW to think; Vgl. Hierzu den Vortrag von Browne auf der Internationalen Tagung für Militärgeschichte im September 2015: Browne, Simon: Military History, Education and the British Officer, A Professional and Personal Perspective, Potsdam Sept 2015 (unveröffentlicht).
[34] Howard, Michael (2006): Military history and the history of war. In: Murray, Williamson; Sinnreich, Richard (Hrsg.): The Past as Prologue, The Importance of History to the Military Profession. Cambridge: Cambridge University Press, 13-15.
[35] Vgl. Hierzu: Kollmer, Dieter H. (2013) “Vom Einsatz her denken!“, Einsatz und militärgeschichtliche Lehre in der Bundeswehr des 21. Jahrhunderts. In: Kollmer, Dieter H. (Hrsg.) (2013): Bedeutung und Nutzen von Militärgeschichte zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Potsdam: ZMSBw, 11.
[36] Sangar, Eric (2014): Historical Experience, Burden or Bonus in Today’s Wars? The British Army and the Bundeswehr in Afghanistan. Freiburg: Rombach Verlag; Sangar, Eric (2013): The Weight of the Past(s): The Impact of the Bundeswehr’s Use of Historical Experience on Strategy-Making in Afghanistan. In: The Journal of Strategic Studies, Published online: 21 Jun 2013: Vgl. hier auch die Ergebnisse von Jarosz und Nye, die sich ausführlich mit der Anwendung der lessons learned in der Gegenwart beschäftigt haben und unter anderem zu dem Ergebnis gekommen sind, dass nur in bestimmten Situationen (so bswp. Krisen) überhaupt nach dieser Art von Lehren verlangt wird: Jarosz, William W.; Nye, Joseph (1993): The Shadow of the Past, Learning from History in National Security Decision Making. In: Tetlock, Philip E. u.a. (Hrsg): Behavior, Society, and International Conflict Vol. 3. New York, Oxford University Press.
[37] „The future, unfortunately, turned out to look all too much like the past (…) Iraq was déjà vu all over again.“: Murray, Williamson; Sinnreich, Richard (2006): Introduction. In: ebds. (Hrsg.): The Past as Prologue, The Importance of History to the Military Profession. Cambridge: Cambridge University Press, 1-3; vgl. hierzu ebenfalls: Tovy, Tal (2012): Learning from the Past for Present Counterinsurgency Conflicts: The Chieu Hoi Program as a Case Study. In: Armed Forces and Society 38-1, 142-163.
[38] Eine ähnliche Beobachtung bestätigte Bernhard Chiari für die Einsatzvorbereitung von Soldaten: Chiari stellte fest, dass gerade der Rahmen der Einsatzvorbereitung ideale Voraussetzungen für die Akzeptanz historischer Bildung schaffe, wobei nach Aussage Chiaris und Winfried Heinemanns noch zu ermitteln sei, welche historischen Sachverhalte und Inhalte am lehrreichsten und „verwendbarsten“ seien für die Soldaten, die in den Einsatz gehen werden. Vgl. hierzu: Chiari, Bernhard (2010): Was heißt und zu welchem Ende treibt man historische Bildung? Auslandseinsätze als Herausforderung für die Bildungsarbeit der Bundeswehr. In: Echternkamp, Jörg; Schmidt, Wolfgang; Vogel, Thomas (Hrsg.): Perspektiven der Militärgeschichte, Raum, Gewalt und Repräsentation in historischer Forschung und Bildung. München: R. Oldenbourg Verlag, 325-327; Heinemann, Winfried (2013): Historische Bildung für die Bundeswehr als Einsatzarmee. In: Kollmer, Dieter H. (Hrsg.) (2013): Bedeutung und Nutzen von Militärgeschichte zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Potsdam: ZMSBw, 35; Chiari, Bernhard (2013): Wissenschaft, Orientierung, Identität, Die Einsatzarmee Bundeswehr als Gegenstand und Kunde der neuesten Militärgeschichte. In: Kollmer, Dieter H. (Hrsg.) (2013): Bedeutung und Nutzen von Militärgeschichte zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Potsdam: ZMSBw, 45.
[39] Interessant hier bswp. auch, dass die Mehrzahl der deutschen OAs die Nationalgeschichte als neutral, nämlich als weder positiv noch negativ wahrnahm (Auszug aus den Ergebnissen: 48% = weder negativ noch positiv, 37% = positiv, 11% = negativ, 4% sehr positiv)
[40] Haltiner, Karl (2003): Spartaner oder Athener? Die europäische Offiziersberufausbildung vor neuen Herausforderungen. In: Collmer, Sabine; Kümmel, Gerhard (Hrsg.): Soldat, Militär, Politik, Gesellschaft, Facetten militärbezogener sozialwissenschaftlicher Forschung. Baden-Baden: Nomos Verlag, 45.
[41] Kollmer, Dieter H. (2013) “Vom Einsatz her denken!“, Einsatz und militärgeschichtliche Lehre in der Bundeswehr des 21. Jahrhunderts. In: Kollmer, Dieter H. (Hrsg.) (2013): Bedeutung und Nutzen von Militärgeschichte zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Potsdam: ZMSBw, 11-12.